In der letzten Woche ging es um das Geld der Stadt, den Bahnknoten ab den 2040er Jahren und den Klimaschutz in Stuttgart
Immer im Juli präsentiert die Kämmerei den Jahresabschluss des Vorjahrs, meistens mit positiven Überraschungen – dieses Mal nach dem Corona-Jahr auch? Das zeigte sich am Mittwoch im Verwaltungsausschuss.
Außerdem ballen sich die wichtigen Diskussionen im Juli. Am Dienstag ging es im Ausschuss S21/Rosenstein um die langfristige Entwicklung des Bahnverkehrs im Bahnknoten Stuttgart. Am Freitag zeigte uns die EnBW, bis wann und wie sie die Wärmeversorgung Stuttgarts dekarbonisieren will.
Auch im sechzehnten Corona-Monat bleibt die Stadt schuldenfrei
Und das ist ja schon eine kleine Sensation. Im Jahr 2020 lag der Jahresüberschuss bei rd. 200 Mio. Euro, allerdings gehen 150 Mio. Euro davon auf verschobene Ausgaben zurück, die einfach später noch anfallen werden. Trotz eingebrochener Gewerbesteuer haben die Hilfen von Bund und Land uns sehr geholfen. So mussten wir keine gravierenden Kürzungen vornehmen, konnten helfen und investieren. Bislang sind wir also finanzpolitisch mit einem blauen Corona-Auge davongekommen.
Geld hat die Stadt nach wie vor zuhauf. Am 31.12.2020 waren es 2,7 Mrd. Euro liquide Mittel, von denen eine gute Mrd. Euro für später noch anfallende und schon beschlossene Ausgaben reserviert sind (Ausgabereste). 400 Mio. Euro werden für Rückstellungen zurückgehalten und weitere 800 Mio. Euro sind zweckgebundene Rücklagen, z.B. für Zuschüsse für die Bauvorhaben des Klinikums der nächsten Jahre.
Was bleibt, sind 500 Mio. Euro freie liquide Mittel. Die brauchen wir zum größten Teil zusammen mit einem Teil der Rücklagen, um die für dieses Jahr geplanten Investitionen von über 700 Mio. Euro zu finanzieren. Für dieses Jahr erwartet die Kämmerei nämlich derzeit ein Defizit von 200 Mio. Euro. Ohne das gute Jahr 2020 und ohne die hohen Rücklagen müssten wir also in diesem Jahr Schulden aufnehmen, um die hohen Investitionen finanzieren zu können. Aber wäre das in der aktuellen Situation wirklich so schlimm?
Ich bin zwar kein Fan von Schulden, aber wann, wenn nicht jetzt wären sie vertretbar. Da die Zahlen der Kämmerei für den kommenden Doppelhaushalt Defizite von 100 Mio. Euro bzw. 160 Mio. Euro sehen, kann es sein, dass wir für den kommenden Doppelhaushalt Kreditermächtigungen brauchen. Allerdings: wer weiß? Vielleicht läuft 2021 auch wieder viel besser als erwartet, und wir haben am Ende des Jahres genügend Geld, um in die Zukunft der Stadt zu investieren.
Zu langfristigen Ausbauoptionen des Bahnknoten Stuttgart sagt das Verkehrswissenschaftliche Institut der Uni Stuttgart: Nordkreuz mit T-Spange ist besser als die Ergänzungsstation
Das war auch für mich in dieser Eindeutigkeit ein bisschen überraschend. Bei drei verkehrlichen Kriterien schneidet das Nordkreuz mit der T-Spange besser ab als die von den Grünen propagierte Ergänzungsstation. Besonders wichtig für Stuttgart ist auch, dass die Ergänzungsstation den geplanten Wohnungs- und Städtebau um Jahre verzögern und verteuern würde. Auch die Umwelteingriffe wären bei der Ergänzungsstation negativer und gravierender als beim Nordkreuz mit der T-Spange. Ach, ja: und teurer ist die Ergänzungsstation auch.
Das Landesverkehrsministerium will gleich nach der Fertigstellung des neuen Hauptbahnhofs und nach dem Rückbau der Gleise eine unterirdische Ergänzungsstation mit Verbindungen zur Panoramabahn, nach Feuerbach und nach Bad Cannstatt (aber nicht für den Fernverkehr) bauen. Das würde mindestens bis 2034 dauern – nach Ansicht der städtischen Experten eher noch länger. Das Amt für Stadtplanung hat uns die gravierenden Auswirkungen auf den geplanten Städtebau gezeigt. Der Wohnungsbau würde sich um Jahre verzögern. Der Gleisbogenpark wäre so nicht umsetzbar. Es müssten Gebäude auf Tunnelstrecken errichtet werden, was die Errichtungskosten deutlich erhöhen würde.
Bei all dem geht es um mögliche Mehrbedarfe beim Fahren mit Zügen im Bahnknoten Stuttgart, ab 2030 oder 2040. Immerhin: das Landesverkehrsministerium räumte ein, dass die von ihm propagierte Verdoppelung der Fahrgastzahlen mit Stuttgart 21 bis 2030 machbar ist. Bei weiter steigenden Fahrgastzahlen werden dann irgendwann weitere Ausbaumaßnahmen notwendig sein, und das gilt natürlich für alle Bahnknoten in Deutschland.
Nach allem, was wir jetzt wissen, halte ich nach wie vor den Bau des Nordkreuzes mit der T-Spange für eine sehr gute Ausbauoption für Stuttgart, die mit dem bald startenden Wohnungs- und Städtebau nicht in Konflikt gerät. Langfristig könnten so Züge und S-Bahnen von Vaihingen nach Bad Cannstatt/Neckartal, von Bad Cannstatt/Neckartal nach Feuerbach und von Feuerbach nach Vaihingen fahren. Solche Tangentialverbindungen zwischen Gebieten mit vielen Arbeitsplätzen werden in Zukunft sicherlich wichtiger werden. Schließlich wollen wir die Lebensqualität in unserer Stadt mit einem attraktiven ÖPNV und SPNV verbessern!
So wird das nichts mit dem Klimaschutz in Stuttgart, liebe Landesregierung!
Beim Klimaschutz in Stuttgart geht es nicht nur um erneuerbaren Strom, sondern vor allem auch um eine erneuerbare Wärmeversorgung. Die stammt in Stuttgart zu einem großen Teil aus der Fernwärme der EnBW, die uns am Freitag im Ausschuss für Klima und Umwelt dargestellt hat, wie sie das Kraftwerk Münster von Kohle auf Erdgas umstellt. Irgendwann soll dann auch das Kohlekraftwerk Altbach auf Gas und noch später alles auf Biogas oder Wasserstoff umgestellt werden. Nach einem Plan zur Dekarbonisierung der Energieversorgung hört sich das noch nicht an.
Klimaschutz in Stuttgart, wo das meiste CO2 beim Verbrennen von Erdgas entsteht, muss aber vor allem durch die erneuerbare Wärmewende mit Wärmenetzen vollzogen werden, und auch hier kommen wir seit Jahren nicht voran. Statt konstruktiv gemeinsam das Klima zu schützen, streiten sich die landeseigene EnBW und die Stadt Stuttgart wie die Kesselflicker vor Gericht, egal ob es um das Wasser, die Strom- und Gasnetze oder eben um die Fernwärme geht. So lange aber das Land die Energiewende mit Renditevorgaben für die EnBW betreibt, wird das nichts mit dem Klimaschutz in Stuttgart!