Lieber Hannes Rockenbauch,
Haushaltsberatungen zu führen mit der Haltung „Geld spielt keine Rolle!“, „anything goes!“, „alle Anträge machen wir, die vorliegen!“ sind keine Haushaltsberatungen. Es gehört zur Natur von Haushaltsberatungen, sich zu überlegen, welche finanziellen Spielräume gibt es? Was können wir vielleicht auch tun für mehr finanzielle Spielräume? Und sich dann innerhalb dieser finanziellen Spielräume für Prioritäten zu entscheiden. Alles andere, eine Politik des „Geld spielt keine Rolle“, ist „wünsch dir was im Kindergarten“. Ich würde sogar sagen, es ist die abgehobenste politische Haltung, die man sich nur vorstellen kann. Abgehoben von der Lebenswelt der allermeisten Menschen da draußen, die genau wissen, dass man hart dafür arbeiten muss, Geld in der Tasche zu haben und ‚ne Wohnung zu bezahlen und vieles andere mehr.
Wir als Sozialdemokraten gehen da anders ran. Und ich hab‘ jetzt mal die Viertelstunde genutzt, um nach dem DGB zu suchen, der höhere Schulden für Stuttgart fordert. Es tut mir leid, ich hab‘ ihn nicht gefunden, weil der nämlich was ganz anderes thematisiert. Der thematisiert die Haushaltspolitik bundesweit. Makroökonomisch. Das machen wir hier aber nicht, lieber Hannes. Hier geht es darum, für die Landeshauptstadt Stuttgart, für das gemeine Wohl unserer Stadt, die richtigen Prioritäten zu setzen und wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten leisten dafür unseren Beitrag.
Sehr verehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Isabel Fezer, verehrte Frau Dr. Sussmann,
verehrte Herren Bürgermeister,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Stadtverwaltung, bei den Eigenbetrieben, bei den Beteiligungsunternehmen, stellvertretend darf ich Frau Häußler nennen für den Gesamtpersonalrat,
meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Tribüne,
wir haben als SPD-Fraktion im Oktober unsere Vorschläge vorgestellt, die aus unserer Sicht wichtig sind, damit Stuttgart eine gute Zukunft hat. Damit diese Stadtgesellschaft, die immer bunter und vielfältiger wird, in der auch immer mehr Bewegung ist, wo immer mehr Menschen jährlich dazukommen, aber auch jedes Jahr ganz viele diese Stadt verlassen, dass wir diese Stadtgesellschaft auch zusammenhalten. Und das ist nichts, was vom Himmel fällt, dass wir für eine menschliche Stadtgesellschaft sorgen, dass diese unterschiedlichen Milieus auch noch etwas miteinander anfangen können und gemeinsam diese Stadt gestalten wollen. Und wir sind außerordentlich zufrieden mit dem, was wir erreichen konnten.
Wir haben vorgeschlagen, dass wir Familien mit Kindern, die sich das Leben in dieser Stadt häufig kaum noch leisten können, weil zum Beispiel die Mieten explodieren, finanziell entlastet werden sollen und eben nicht die Großkonzerne in dieser Stadt. Und wir sind außerordentlich froh darüber, dass wir das heute erreichen werden.
Familien mit Kindern werden finanziell entlastet. Mit kleinen Kindern zwischen einem und drei Jahren um 600 Euro im Jahr, wenn sie ein mittleres Einkommen haben. Das sind nämlich die Familien, die es besonders nötig haben. Wir freuen uns darüber, dass Familien mit Schulkindern, die ein Scool Abo haben in Zukunft 120 Euro weniger bezahlen müssen, weil wir das 365 Euro Ticket für die Schülerinnen und Schüler erreicht haben. Wir freuen uns darüber, und das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass wir das 365 Euro Ticket auch für Azubis und Meisterschülerinnen und Meisterschüler in dieser Stadt erreichen und die können damit im ganzen Verkehrsverbund vvs-weit ein ganzes Jahr lang für 365 Euro unterwegs sein. Und das ist ein Riesenerfolg für diese jungen Menschen und ihre Familien.
Wir haben auch das Schulgeld und das Materialgeld für Fach- und Meisterschülerinnen abgeschafft. Und das betone ich deshalb so sehr, weil wir davon überzeugt sind, dass der soziale Zusammenhalt in dieser Stadt auch davon abhängt, wie wir verschiedene Milieus in dieser Stadt betrachten und zusammenführen und es gibt mittlerweile haufenweise, jetzt nenne ich es auch mal wissenschaftliche Analysen, die ein zunehmendes Auseinanderdriften unserer Gesellschaft feststellen, zum Beispiel zwischen Akademikerinnen/ Akademikern auf der einen Seite – und zwar kultureller Art auseinanderdriften – und Facharbeiterinnen/ Facharbeiter, duale Ausbildung, Meister. Und da müssen wir was dagegen tun, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und das erste was wir tun können ist, dass wir die duale Ausbildung wertschätzen und stärken. Und das tun wir mit dem 365 Euro Ticket für Azubis und der Gebührenfreiheit für Fach- und Meisterschüler. Das ist ein ganz entscheidender Schritt für den Zusammenhalt in dieser Stadtgesellschaft.
Wir freuen uns darüber, dass der Vorschlag meiner Kollegin Jasmin Meergans zu 100 Prozent umgesetzt werden kann, dass wir 10 Millionen Euro investieren für bessere Bildungschancen und zwar für alle, egal ob sie ausreichen oder armen Familien kommen. Und dass wir das so umsetzen, dass wir vor allem da investieren, wo die Eltern zu Hause nicht noch bei der Mathehausaufgabe helfen können, weil sie zum Beispiel der deutschen Sprache nicht so stark mächtig sind und vielleicht nicht so eine Schulausbildung genossen haben, wie viele anderen. Dass wir einen besonderen Schwerpunkt bei Schulen und Kitas in Quartieren setzen, wo viele Menschen mit weniger Geld wohnen. Ein Riesenerfolg für den Zusammenhalt in dieser Stadtgesellschaft.
Neben der finanziellen Entlastung von Familien mit Kindern, neben dem Bildungspaket, neben dem was wir im Sozialetat erreichen konnten, ist uns ein vierter Punkt besonders wichtig gewesen. Das ist das Thema Wohnen. Und das beschäftigt in der Tat viele Menschen in dieser Stadt. Vor allem dann, wenn sie einen neuen Mietvertrag brauchen, wenn sie eine neue Wohnung suchen. Und wir sind außerordentlich froh darüber, dass es uns gelungen ist – Kollege Kotz hat das erwähnt – im Klimaschutzpaket 75 Millionen Euro zu mobilisieren für ein mieterfreundliches und im Übrigen auch ein vermieterfreundliches Gebäudesanierungsprogramm, das ökologisch die wirksamste Komponente im ganzen Klimaschutzpaket ist, weil wir mit den 75 Millionen 1,3 Millionen Tonnen Co2 einsparen können. Viel, viel mehr, als alle anderen Maßnahmen zusammen, die in diesem Klimapaket enthalten sind. Das ist für Mieterinnen und Mieter unglaublich wichtig, weil heute bei einer normalen energetischen Sanierung die Kaltmiete ganz schnell mal von 800 Euro auf 1000, 1200 Euro ansteigt, weil die Vermieterinnen und Vermieter die Kosten für die energetische Gebäudesanierung komplett umlegen können und da werden wir gegensteuern.
Wir freuen uns, dass wir die kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die SWSG, stärken werden, wie sie es lange nicht mehr gestärkt worden ist, indem wir städtische Grundstücke nicht mehr an die SWSG verkaufen zum Verkehrswert und sie so auch kalkulieren müssen, sondern in dem wir diese Grundstücke einbringen als Sacheinlage, in das Eigenkapital dieses Unternehmens, damit wir dort preiswerte und bezahlbare Mieten für Normalverdienerinnen und Normalverdiener auch in dieser Stadt anbieten können.
Ich komme zur Zukunft.
Denn das was wir heute beschließen werden, haben wir jetzt in den letzten Wochen diskutiert. Was steht denn an in den kommenden Jahren? Und da geht’s um Finanzierungsfragen. Zwei, drei Sätze zur Grundsteuer Herr Kollege Kotz. Ich lese ihnen mal die Hebesätze in anderen Städten vor: Berlin 810%, Essen 670%, Leipzig 650%, Dortmund 610%, Freiburg 600%, Hannover 600%, Nürnberg 555%, Hamburg 540%, München 535%, Stuttgart 520%. Und warum ist das jetzt nicht sinnvoll, diesen Hebesatz nochmal auf 420% zu senken. Erstens ist es nicht intelligent, sondern das Unseriöseste überhaupt, was man in der Steuerpolitik machen kann, Jahr für Jahr darüber zu entscheiden, wie der Steuersatz im nächsten Jahr mal ausfallen wird. Das hat mit seriöser Steuer- und Finanzpolitik gar nichts zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und jetzt kommt ein wichtiger Punkt hinzu, warum ich das nochmal anspreche, weil da geht’s um die Zukunft. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Grundsteuer verfassungswidrig ist. Ja, was ist denn daran verfassungswidrig? Daran ist zum Beispiel verfassungswidrig, dass das Aufkommen aus der Grundsteuer in Stuttgart bei einem konstanten Hebesatz von 420% in den letzten 20, 30 Jahren überhaupt nicht gestiegen wäre. Null. Kein Anstieg bei einem Grundsteueraufkommen. Das heißt real eine Steuersenkung wie wir sie weder bei der Mehrwertsteuer haben noch bei der Einkommenssteuer. Und wem kommt das denn zu Gute?
Sie behaupten, dass das den Mieterinnen und Mietern zu Gute kommt. Ich rechne Ihnen das gerne vor, ich hab‘ ja vorher die Entlastung von Familien mit Kindern genannt. Bei einer 80 Quadratmeter Wohnung geht’s da um 40 Euro pro Jahr. Aber für den Daimler und für den Bosch und für den Porsche geht’s um 5 Millionen. Und das ist doch nicht gerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das hat doch nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Das ist im Übrigen – und deswegen bin ich da auch bei den Grünen – auch nicht ökologisch. Diejenigen, die viel Fläche verbrauchen ja besonders entlastet werden bei der Grundsteuersenkung. Sowohl bei der Industrie als auch bei denen die in einer Wohnung wohnen. In einem 200 Quadratmeter-Haus vielleicht alleine. Die bekommen die größte Entlastung. Ja, ist das gerecht? Aus unserer Sicht war es richtig, diese Grundsteuersenkung jetzt nicht zu machen. Und wir haben uns als SPD-Fraktion Gedanken gemacht über Finanzierung und haben 60 Millionen Euro Deckungsvorschläge vorgelegt und haben dafür Mehrheiten organisiert. Dazu gehört auch die Grundsteuersenkung.
Wenn wir von der Zukunft reden, wird uns das Thema Wohnen noch mehr beschäftigen als heute schon. Und ich hab‘ mich darüber gefreut Herr Oberbürgermeister, dass sie angekündigt haben, weitere Grundstücke in der Stadt anzukaufen. Wir müssen stärker in eine strategische Bodenvorratspolitik einsteigen, als das heute der Fall ist. Und ich betone auch ausdrücklich, für einen solchen Zweck sind in Einzelfällen auch mal Kreditaufnahmen sinnvoll und richtig. Weil wir da ja auch einen Gegenwert in den Händen halten, wenn wir dieses Grundstück erworben haben. Und es wird erforderlich sein, dass wir in den kommenden Jahren wesentlich mehr in diesem Bereich tun und es ist eigentlich völlig irre, dass wir bei der Wohnraumförderung über 16 Millionen Euro auf der hohen Kante haben, die wir nicht ausgeben können, weil unsere Förderprogramme nicht funktionieren. Die müssen wir endlich auf vernünftige Beine stellen. Und die Förderung pro preiswerter Wohnung deutlich erhöhen und in die Bodenvorratspolitik investieren.
Zweiter Punkt für die Zukunft: Die Autoindustrie ist im Umbruch. Die beste Nachricht in den ganzen Haushaltsberatungen war die Nachricht vom 10. Dezember 2019 als sich der Betriebsrat und die Werksleitung vom Daimler in Untertürkheim darauf geeinigt haben, dass der elektrische Antriebsstrang der zukünftigen E-Autos vom Daimler in Untertürkheim gefertigt und montiert wird. Das war die beste Nachricht, die wir überhaupt haben konnten, um – und wir leben ja in einer Zeit der Widersprüche – überhaupt mal wieder die Chance auf eine 200 Millionen Euro Rücklage zu haben für ein Klimaschutzpaket, weil das nämlich an den Industrieumsätzen auch massiv hängt, ob wir diese Chance haben oder nicht. Die Industrieumsätze, die sich seit der letzten Krise in Stuttgart von 14 Milliarden Euro auf über 30 Milliarden Euro fast verdoppelt haben in dem wir Autos weltweit verkauft haben. Ja, das ist die Realität lieber Hannes, und es gehört zu den Widersprüchen unserer Zeit, dass wir nur dank dieses Erfolges 200 Millionen Euro für das Klima investieren können. Das gehört zum einen auch dazu. Dass wir auch die Mobilität umstellen müssen und dass wir andere Autos brauchen und dass wir in der Stadt so nicht weiter machen können mit den Autos ist richtig, aber wir brauchen industrielle Arbeitsplätze, die anständig bezahlt sind, auch um das zu tun, was in der Energiewende erforderlich ist.
Letzter Punkt für die Zukunft: Wir sind froh über das Klimapaket, Herr Kollege Winter, aber zu behaupten, dass sei das beste Paket was in deutschen Großstädten geschnürt worden sei, ist – sorry – fake news hoch drei. Fake news hoch drei. Weil der entscheidende Punkt beim Klimaschutz die Energiewende ist. Die Investitionen, die die Stadtwerke in erneuerbare Energien und die Wärmewende investieren. Mannheim investiert 3 Milliarden Euro in die Energiewende bis 2026. Die Stadt München investiert 6 Milliarden Euro und wird in 2025 100 Prozent ihres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken. Und diese Debatte steht uns noch bevor im April nächsten Jahres.
Herr Oberbürgermeister im nächsten Jahr sind Oberbürgermeisterwahlen 2020. Das wird ein besonderes Jahr. Ich verspreche Ihnen, die SPD-Fraktion wird auch im nächsten Jahr konstruktiv und für das gemeine Wohl dieser Stadt und für ganz konkreten sozialen Fortschritt streiten, gemeinsam mit Ihnen und mit ganz vielen Kolleginnen und Kollegen bei denen ich mich sehr, sehr herzlich für diese sehr besonderen Haushaltsberatungen bedanken möchte.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.